TEXT: E. Marunde, D. Guzzardi, Exped Tribe GmbH // FOTOS: T. Monsorno
Vereiste Wasserfälle, Gletscherhöhlen und ständig drohendes Unwetter: Mit Extrembergsteiger Dani Arnold auf der Suche nach immer neuen Herausforderung im ewigen Eis Islands.
OBEN: Die Basalt-Felsen im Studlagyl-Canyon sind eine echte Herausforderung: Sie bieten kaum Halt und sind enorm Glatt.
Minusgrade, Sturm, Windböen bis zu 150 km/h und große Mengen Neuschnee, ein Unwetter zieht auf uns zu.
Island zeigt, was wir im Februar von der rauen Insel erwarten können. Ich starre in den Schnee und zweifle, mit dem Ausmaß hatte ich nicht gerechnet. Können wir die Tour unter diesen Bedingungen überhaupt antreten, die geplanten Routen klettern? Ich bin früher angereist, vielleicht sollte ich die Crew anrufen und noch vor Tourstart abbrechen. Bisher haben die Behörden keine Warnung herausgegeben, aber es sieht nicht gut aus.
OBEN: Was so mühelos aussieht, ist ein enormer Kraftaufwand: Eine Hand am Pickel und gleichzeitig Kraft aufbringen, um mit der anderen Eisschrauben zu setzen.
OBEN: Island pur: Eiszungen treffen auf Meer und schwarzen Lavastrand.
Gemeinsam mit Dani Arnold, einem der besten Extremalpinisten der Welt, planen wir auf die Suche nach neuen Herausforderungen zu gehen. Vereiste Wasserfälle, Gletscherspalten, Eisüberhänge und ins raue Meer abfallende Klippen – diese Insel ist ein riesiges Spielfeld und bietet Kletterern einzigartige Eisstrukturen. Ich halte Rücksprache mit den anderen Expeditionsteilnehmern und aufgrund der übrigen Rahmenbedingungen, die grandiose Eisverhältnisse versprechen, lassen wir unsere Euphorie nicht von Wetterprognosen bremsen. Die anderen reisen an. Außer Dani und mir sind Martin, sein langjähriger Begleiter und erfahrener Bergführer, sowie Thomas und Lukas, zwei begnadete Fotografen und Filmer dabei.
Unser erstes Ziel: der Glymur-Wasserfall, mit 198 Metern der zweithöchste Wasserfall Islands. Um dorthin zu kommen, stapfen wir schwer beladen mit Kletterausrüstung und Kameraequipment durch den teilweise kniehohen Schnee. Trotz beißend kalter Luft kommen wir gut aufgewärmt an und schauen in eine enge und unfassbar tiefe Schlucht. Der Wasserfall knallt ohrenbetäubend auf Eisplatten und Schneepodeste, die Wände sind durch verwehte Tropfen komplett gefroren. Unzählige Seemöwen schießen laut kreischend durch die Schlucht, sie haben ihre Nester hier in die Felsnischen gebaut. Was für eine Kulisse, wir verstehen angesichts dieser Symphonie der Natur unser eigenes Wort nicht.
Zunächst sichern das Kamerateam und ich uns auf der anderen Seite der Schlucht mit einem Seil – wir wollen die besten Bilder und kommen dem Klippenrand deshalb sehr nah. Dani und Martin drehen in einem klar definierten Winkel Schrauben ins Eis, sogenannte Eissanduhren, und seilen sich daran ab.
Eiszapfen brechen, stürzen Hunderte Meter in die Schlucht und explodieren auf den Felsen wie Kristallglas. Etwa 40 Meter über dem eiskalten Fluss bleiben die beiden auf einem Felsvorsprung stehen.
Der Funkkontakt über die Walkie-Talkies bricht ab und auch Dani und Martin können sich bei der Lautstärke nicht untereinander verständigen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, sie müssen den Aufstieg schaffen – unten existiert kein Weg aus der Schlucht. Sie orientieren sich lange und klettern dann los, direkt neben dem tosenden Wasserfall, auf fragilem Eis, die Linie ist unglaublich ausgesetzt. Die vielleicht erste Besteigung des Glymur-Wasserfalles gelingt. Später probiere ich es auch, allerdings nicht im Vorstieg. Von Dani abgeseilt, baumle ich sicher über dem Fluss, trotzdem schießt Adrenalin durch meinen Körper. „Jetzt lass bloß den Pickel nicht fallen!“, ruft Dani lachend. Mit dieser Erfahrung wächst der Respekt vor den Profis noch mehr. Überglücklich und mit tollen Aufnahmen im Gepäck belohnen wir uns abends mit Pasta und Bier.
Frühmorgens machen wir uns am nächsten Tag auf die Suche nach einem kleinen Seitental, die Isländer nennen es Bæjargil. Ein Tipp von Matteo, ein Freund aus dem isländischen Alpinclub „Isalp“. Hier gibt es einen Hang, der so hoch ist, dass die Bewohner des nächstgelegenen Ortes im Winter 25 Tage lang die Sonne überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Eiskletterlegende Will Gadd hat sich 1998 mit mehreren Routen im Hang verewigt. Wir wollen auf seinen Spuren klettern. Bisher hält sich das Wetter, aber die Fahrten werden in diesen abgelegenen Regionen zur Rutschpartie auf ungeräumten Straßen. Am Kletterspot angekommen, umgeben uns riesige Wände. Wasserfälle sprühen Unmengen eisiger Tropfen in die Luft, die eine besondere Eisform bilden: das „Shrimp Ice“.
Tatsächlich erinnert es an viele hängende Shrimps, ist weltweit kaum zu finden und für Eiskletterer extrem anspruchsvoll. Es ist fragil und bricht schnell weg. Jeder Pickelschwung, jeder Schritt muss vorsichtig getestet werden.
OBEN: Shrimp Ice wie im Baejargil gibt es weltweit nur sehr selten.
OBEN: Am Ende zeigt sich das Wetter versöhnlich und faszinierende Nordlichter flimmern über den Himmel.
Tag 4 wartet Álftafjörður auf uns. Dani
und Martin wollen auf dem Fjord eine neue
Route im Mixed Stil erstbegehen, ein Klettern
sowohl auf Eis als auch Felsen, an Rissen im
Stein entlang. Das erfordert viel Balance und ist
schwer zu sichern. Als Hommage an unseren
Heimatkanton in der Schweiz wird die Route
nach erfolgreichem Abschluss „MystUrium“
getauft. Es folgt eine zweite, neue Linie, die ich
mit Dani erstbesteigen darf. Wir bewältigen
steile Passagen, auf denen sich sehr dünnes mit
kompaktem, blau schimmernden Eis abwechselt.
Diesmal darf ich einen Namen aussuchen
– auf Island kann jetzt die Route „Fondue
Plausch“ geklettert werden. Ich bin überglücklich, mit so einem einzigartigen Erlebnis habe ich nicht gerechnet. Bei all der Freude wandert der Blick immer wieder nach oben. Vom Meer ziehen mittlerweile einschüchternde, dunkle Wolkenfelder in unsere Richtung. Noch lässt der große Sturm auf sich warten, auch wenn die Behörden die nächste
Alarmstufe ausgerufen haben. Wir machen
uns auf den Weg, um die letzte Chance zu nutzen.
Kaldakinn – hier trifft im hohen Norden
der Insel Eis auf Meer. Auf Ski arbeiten wir uns
vom letzten Bauernhof durch weite Schneefelder
über Flüsse und Sumpfgebiete in Richtung
Meer vor. Der Boden ist aufgeweicht, wir sinken
immer wieder ein. Danis Uhr vibriert.
Das Barometer warnt. Jetzt muss es schnell gehen.
Alle bringen sich in Position. Dani und
Martin klettern in Wahnsinnstempo elegant
die Eiszunge hoch, während die Wellen immer
heftiger auf den Strand brechen. Riesige
und vom Salzwasser glänzend polierte Eisberge
schieben sich auf den schwarzen Lavasand.
Was für eine Szenerie. Bei einem erneuten
Kletter- und Filmversuch, wird Lukas Drohne
beim Starten von einer Welle erwischt. Rückzug!
Am Auto hat uns der Sturm fast eingeholt.
Plötzlich ist die Sicht enorm schlecht, überall
wirbelt Schnee. Als wir Akureyri nach
Schneeschaufeln und Rutschpartien endlich
erreichen, kommt auch der Sturm an.
OBEN: Martin und Dani seilen sich vor dem Betreten des Jökulsarlon-Gletscher an.
Das schlechte Wetter hält sich hartnäckig,
wir müssen aber den Flug in Reykjavik erwischen.
Also planen wir um. Was wollen wir
unbedingt noch sehen, wie entwickelt sich der
Sturm? Wir sind immer noch so euphorisiert
von der Landschaft, den Eindrücken, den
grandiosen Kletterrouten, dass wir schon
nach einem Tag ohne Tour unruhig werden.
Lukas steuert seine Drohne durch die Wohnung,
Martin schleift seine Steigeisen. Wir
wollen raus! Sobald einige Sonnenstrahlen
durchbrechen, schnappen wir die Ski und ich
hänge mich damit hinter einen Van. Mit ordentlich Tempo flitze ich den frisch beschneiten Seitenstreifen entlang. Wir haben eine neue Sportart gefunden: Van-Skiing!
Schließlich können wir weiterfahren und
peilen den Stuðlagil-Canyon an. Auf dem Weg
zum Kletterspot muss sich das gesamte Team erst einmal 20 Meter abseilen. Die Felsen aus Basaltstein vor Ort sehen allerdings nicht geeignet aus: Kaum Eis, kaum Struktur, kaum etwas, was mit Steigeisen bezwingbar wäre. Doch Dani legt los und klettert notdürftig gesichert einen ganz feinen Riss direkt auf dem blanken Stein entlang.
Mühelos erreicht er den höchsten Punkt, sichert
sich und ruft: „Stand!“. Auf der anderen
Seite des Canyons atmen wir mit schwitzigen
Händen erleichtert auf. Die Wanderung geht
weiter Richtung Stuðlafoss, der ist mit einer
dicken Eisschicht zugefroren. Dani und Martin
klettern, Thomas fotograiert.
Im Anschluss darf ich wieder meine Steigtechnik üben. Pulverschnee weht mir ins Gesicht, meine Oberarme brennen und mit letzter Kraft schaffe ich es, mich auf den Stand zu ziehen. Zum Abschluss der Tour fahren wir in den Süden. Der Jökulsárlón-Gletschersee trifft hier auf das Meer, der letzte Spot bendet sich im inneren des Vatnajökull Gletschers. Eine riesige Gletscherhöhle in der Nähe mit stark geneigter Decke und Eis so glatt wie polierter Mamor ist der absolute Geheimtipp.
Danis Pickelschlag wiederholt sich vielfach im Echo zwischen den Eiswänden. Er hängt schließlich an nur einem Arm unter der steilen Decke, nahezu senkrecht, und dreht gleichzeitig Schrauben in das blau schimmernde Eis. Es wirkt so mühelos, ist aber eine enorme Leistung. Wir lassen die Kameras klicken, was für ein Anblick, was für ein toller Abschluss unserer Tour. Nachdem er sich abgeseilt hat, versuchen auch ich einen kleinen Aufstieg – und lasse es sofort wieder sein. Ich schaffe keine fünf Meter.
Ganz im Zeichen eines versöhnlichen Abschlusses verabschiedet sich Island mit Nordlichtern, die in Violett- und Grüntönen am
Himmel tanzen.
Das Land aus Feuer und Eis hat uns gebührend wild empfangen und einiges abverlangt.
OBEN: Der Blick wandert immer wieder besorgt auf die Warnmeldungen des Wetterdienstes. Holt uns ein Sturm ein?
OBEN: Van-Skiing: Wartezeiten überbrücken wir mit dem Erfinden neuer Sportarten.
UNTEN: Die letzte Aufnahme eines unvergesslichen Reiseabschlusses. Die Agentur Exped Tribe überzeugte erneut mit einer erfolgreichen Team-Expedition.
Es hat uns aber auch unfassbare Kulissen, faszinierende, immer wechselnde Landschaften, sportliche Herausforderungen und unzählige bleibende Eindrücke geschenkt.
Zehn Aufstiege liegen hinter uns, mehrere Erstbesteigungen, unzählige von Drohnen und Kameras eingefangene Wahnsinnsbilder. Und ich darf noch Danis auf dem Trip genutzte Eisschrauben als Souvenir mitnehmen. Wir kommen sicher wieder.
Über diese Freemen´s World Ausgabe
Über Exped Tribe
Lust auf ein aussergewöhnliches Abenteuer? Exped Tribe bietet seit 2020 Touren in entlegene
und touristisch wenig erkundete Gebiete an: Grönland, Georgien, Tadschikistan, Nepal oder die Pole. In kleinen Gruppen trekken, klettern oder auf Ski unterwegs sein. Erfahrene Bergführer, Expeditionsbegeisterte und Fotografen mit viel Erfahrung im Wildcampen und Bergsteigen sorgen für garantiert sichere und dennoch abenteuerliche Touren. Für Abenteurer, die es lokaler mögen, hat Exped Tribe auch etwas im Programm. So werden in der Schweiz und im nahen Ausland Reisen und
Kurse am Berg angeboten, wie Kletterkurse, Hochtourenkurse oder luftige Portaledge-bernachtungen.
Neugierig geworden?
Weitere Infos gibt es unter www.expedtribe.com oder über Instagram @expedtribe_official
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Island Eiskletterreise mit Dani Arnold
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